Mailand-Sanremo 2023

(ITA/1.UWT) - Siegerliste Mailand-Sanremo

Bärenstarker Triumph von van der Poel

Mathieu van der Poel (Alpecin) triumphierte bei Mailand-Sanremo 2023 als Solist. Der Niederländer sprang 5,6 Kilometer vorm Ziel kurz unterhalb der Poggio-Kuppe 3 anderen großen Namen davon. Filippo Ganna (Ineos), Wout van Aert und Tadej Pogacar (UAE) konnten den entfesselten van der Poel bergab und im abschließenden Flachstück nicht mehr einfangen. Ganna hielt sich bei der Nachführarbeit etwas zurück und staubte durch einen Antritt auf der Zielgeraden den 2. Platz ab. Auf den 3. Platz sprintete van Aert vor Pogacar, der die Selektion der Top-4 am Poggio-Anstieg herbeigeführt hatte.

Mit seiner saftigen Attacke im Wiegetritt brachte der schwerere van der Poel bis zum Gipfel 4 Sekunden zwischen sich und die 3 Verfolger, die im Sitzen nicht hinterherkamen. In der Abfahrt war van der Poel sowieso in seinem Element. Van Aert konnte die Lücke nicht verkleinern. Hinter ihm gingen in den Kurven immer wieder Lücken zu Ganna auf. Hinter diesem verschnaufte Pogacar, der fast den halben Poggio von vorne gefahren war. Im Flachstück bemühten sich anfangs nur noch van Aert und Pogacar um die Einholung, so dass van der Poels Vorsprung auf letztlich 15 Sekunden anwuchs.

Aus der nächsten Verfolgergruppe heraus rundete Søren Kragh Andersen (Alpecin) das Team-Ergebnis mit einem 5. Platz ab – vor Mads Pedersen (Trek), Neilson Powless (EF), Matej Mohoric (Bahrain), Anthony Turgis (Totalenergies) und Jasper Stuyven (Trek). Andersen, Pedersen und Vorjahressieger Mohoric hatten die Poggio-Kuppe auf den Positionen 5, 6 und 7 überquert, wenige Sekunden hinter dem ersten Verfolgertrio und nur einen Augenblick vor den nächsten Verfolgern. Zuvor waren in dem schnellsten Mailand-Sanremo der Geschichte – auch bedingt durch Rückenwind am Mittelmeer – die meisten Sprinter bereits in der Cipressa-Steigung abgestellt worden.

Sonnenschein und Rückenwind am Mittelmeer

Mit einem Novum ging es bei der 114. Auflage des ersten großen Monuments am Vormittag um 10 Uhr los: Der Start erfolgte außerhalb von Mailand, im westlich gelegenen Vorort Abbiategrasso. Nach etwa 10 Kilometern hatte man sich auf die 9-köpfige Spitzengruppe des Tages geeinigt. 284 Kilometer standen da noch auf dem Tacho – dies bei durchgehendem Sonnenschein, 8 Grad am Start und 14 Grad im Ziel. Wegen des Rückenwindes an der Küste war im Vorfeld über eine Attacke schon im Cipressa-Anstieg spekuliert worden, was normalerweise einem Himmelfahrtskommando gleichkommt und deswegen so gut wie nie passiert – so dann auch 2023 nicht.

Davor war wie immer das lange Warten angesagt. Die 9 frühen Ausreißer Alexander Rjabuschenko (Astana), Mirco Maestri, Samuele Rivi (beide Eolo), Filippo Magli, Alessandro Tonelli (beide Green Project), Negasi Abreha (Q36.5), Alexandre Balmer, Jan Maas (beide Jayco) und Alois Charrin (Tudor) wurden nur maximal um die 3 Minuten weggelassen. 3 von ihnen kamen in den Capi abhanden. Die vorn verbliebenen Maestri, Rivi, Magli, Tonelli, Balmer und Maas wurden innerhalb der letzten 30 Kilometer kurz vor dem Abzweig nach Cipressa geschnappt.

Alle erwarteten hoch nach Cipressa das harte Tempo von Pogacars Helfern. Doch am Fuße des Anstieges mussten sich die Helfer erst sammeln, ehe sie dann doch nach vorn kamen. Kurz vor der Abfahrt setzte sich sogar van der Poel in Front – vermutlich um die Engstelle am Gipfel unbeschadet zuerst zu passieren. Am anderen Ende des Pelotons bröckelten etliche Fahrer des zuvor noch sehr großen Feldes ab. Darunter konnte man einige der Sprinter zählen, wie Fernando Gaviria (Movistar), Debütant Arnaud de Lie (Lotto) ohne Danny van Poppel (Bora). Dessen nomineller Sprint-Kapitän Sam Bennett war schon kurz zuvor nach einem Sturz gegen Verkehrsschild und Fahrradständer außer Gefecht. Der einstige Champion Mark Cavendish (Astana) ging sogar schon 40 Kilometer vor dem Ziel an der Capo Berta fliegen.

Nach der Cipressa-Abfahrt präsentierte sich Nils Politt (Bora) mal wieder als König des Kräfteverschleuderns. Er attackierte im Flachstück zwischen Cipressa und Poggio, war als Solist gegen die versammelten Helfer anderer Teams aber natürlich chancenlos, so dass diese Episode nach 2,5 Kilometern Geschichte war. In den Poggio-Abzweig gelang den Teamkollegen von Mohoric und Powless (EF) die beste Positionierung.

Pogacars Auslese am Poggio

Doch nach einigen hundert Metern des Anstiegs setzte sich Pogacars Helfer in Front, insbesondere der letzte Mann Tim Wellens. Dessen angeschlagenes Tempo provozierte schon Lücken, so dass unmittelbar dahinter Andersen, Ganna, Mohoric, Pedersen, van Aert und van der Poel den Kontakt erst wieder herstellen mussten.

Bereits innerhalb der letzten 7 Kilometer riss es etwas an der 10. Position, als Pogacars Teamkollege Matteo Trentin dort die Lücke aufgehen ließ. 6,6 Kilometer vorm Ziel übernahm Pogacar vom ausscherenden Wellens. Andersen und Ganna gingen sofort mit, und van Aert führte van der Poel heran. Pedersen und Mohoric konnten Pogacars Höllentempo nicht mehr mitgehen. Wenig später musste auch Andersen kapitulieren. Der hatte aber immerhin noch seinen Kapitän van der Poel vorne.

Van der Poel stürmt Pogacar, Ganna, van Aert davon

Das Spitzenquartett bestand nun aus 4 der größten Radsportler der Gegenwart, mit leicht unterschiedlich verteilten Schokoladenseiten. Mit der Brechstange suchte van der Poel nun die Entscheidung. Der Urgewalt waren seine 3 Gegner nicht mehr ganz gewachsen. Und bergab war van der Poel dann sowieso kaum einzufangen.

So gewann dann doch der Stärkste für diese Strecke, obwohl sich van der Poel vor dem Rennen dahingehend geäußert hatte, dass dies das Monument sei, das eben häufig nicht der Stärkste gewinne. Er und auch Pogacar bezeichneten es deswegen als das am schwierigsten zu gewinnende der 5 Monumente, obwohl oder gerade weil es das leichteste sei.

Van Aert hatte das Rennen bereits 3 Jahre zuvor bei der Corona-Sommerausgabe gewonnen. Bahn- und Zeitfahr-As Ganna pokerte auf den letzten Kilometern, wo es eigentlich nichts mehr zu pokern gab. Und Pogacar blieb als 2-maliger Tour-de-France-Sieger der Mann für die 2 topografisch schwierigsten Monumente, Lüttich-Bastogne-Lüttich und die Lombardei-Rundfahrt. Zumindest van der Poel, van Aert und Pogacar werden sich 15 Tage nach Sanremo beim nächsten Monument, der Flandern-Rundfahrt, den nächsten heißen Tanz liefern können. Im letzten Jahr bestimmte Pogacar dort auch das Rennen und wurde ebenfalls Vierter. Es siegte damals van der Poel, der 2023 nun mit dem Sieg bei einem zweiten Monument im Gepäck anreisen kann.

In den Sieger-Interviews von Sanremo bezeichnete er Mailand-Sanremo als ein Rennen, das er «unbedingt gewinnen wollte». Sein Vater, Flandern- und Lüttich-Sieger Adrie, schaffte das nie. Sein Großvater Raymond Poulidor, der eigentlich ewige Zweite, konnte sich in Sanremo jedoch 1961 in die Siegerliste eintragen.

 

Sa 18. März 2023, Abbiategrasso - Sanremo
Ergebnis der 114. Auflage Milano-Sanremo (294,0km)
 1. Mathieu van der Poel (NED) - Alpecin-Deceuninck       6:25:23
 2. Filippo Ganna (ITA)        - Ineos Grenadiers           +0:15
 3. Wout van Aert (BEL)        - Jumbo-Visma              gl.Zeit
 4. Tadej Pogacar (SLO)        - UAE-Emirates             gl.Zeit
 5. Søren Kragh Andersen (DEN) - Alpecin-Deceuninck         +0:26
 6. Mads Pedersen (DEN)        - Trek-Segafredo
 7. Neilson Powless (USA)      - EF Education-Easypost     alle
 8. Matej Mohoric (SLO)        - Bahrain Victorious
 9. Anthony Turgis (FRA)       - Totalenergies            gleiche
10. Jasper Stuyven (BEL)       - Trek-Segafredo
11. Julian Alaphilippe (FRA)   - Soudal-Quick Step         Zeit
12. Davide Ballerini (ITA)     - Soudal-Quick Step          +0:32
13. Christophe Laporte (FRA)   - Jumbo-Visma
14. Magnus Cort (DEN)          - EF Education-Easypost
15. Jasper Philipsen (BEL)     - Alpecin-Deceuninck
16. Caleb Ewan (AUS)           - Lotto-Dstny
17. Marco Haller (AUT)         - Bora-Hansgrohe
18. Nikias Arndt (GER)         - Bahrain Victorious
19. Matteo Trentin (ITA)       - UAE-Emirates              alle
20. Yves Lampaert (BEL)        - Soudal-Quick Step
21. Nils Politt (GER)          - Bora-Hansgrohe
22. Benoît Cosnefroy (FRA)     - AG2R-Citroën             gleiche
23. Luka Mezgec (SLO)          - Jayco-Alula
24. Magnus Sheffield (USA)     - Ineos Grenadiers
25. Gonzalo Serrano (ESP)      - Movistar                  Zeit
...

 

Wildcards für Mailand-Sanremo gingen vom selben Rennveranstalter der am vorigen Wochenende beendeten Fernfahrt Tirreno-Adiatico an: Eolo, Green Project-Bardiani (beide Italien), Q36.5 und Tudor (beide Schweiz). Die 3 weiteren ProTeams Lotto, Totalenergies und Israel waren durch die Vorjahres-Weltrangliste automatisch qualifiziert, die 18 WorldTour-Teams sowieso.

Strecke

Die 294 Kilometer lange Strecke von Mailand-Sanremo 2023 führt wie gewohnt über Turchinopass, die 3 Capi sowie Cipressa und Poggio auf die Via Roma von Sanremo. Ein Novum ist allerdings der Start außerhalb von Mailand im westlich gelegenen Vorort Abbiategrasso, so dass die ersten 30 Kilometer auf anderen Straßen rollen als zuletzt. Der 5,4 Kilometer kurze Weg vom Poggio-Kulminations zur Ziellinie teilt sich wieder etwa hälftig auf die im Vorjahr entscheidende Abfahrt und das abschließende Flachstück.

Anstiegekm-Zeit
Turchinopass149,613:41
Capo Mele51,515:53
Capo Cervo46,616:00
Capo Berta38,816:12
Cipressa21,616:41
Poggio di Sanremo5,517:03
Zielankunft auf der Via Roma in Sanremo:
Kilometer 294,0 ca. 17:10

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