Tour de France 2023 - Favoriten

Übersicht | Etappenplan | Berge | Startliste | Endklassement | Siegerliste |

Wieder Vingegaard gegen Pogacar

Der Kampf um den Gesamtsieg um die Tour de France dürfte 2023 wieder auf ein Duell zwischen dem Vorjahressieger Jonas Vingegaard (Jumbo) und Tadej Pogacar (UAE) hinauslaufen. Wenn auch nur einer der beiden die 3 Wochen durchkommt, ist ein anderer Gesamtsieger extremst unwahrscheinlich. So bleibt dem Rest wohl erneut nur das Ausfechten des verbleibenden Podesplatzes. Dies gelang im Vorjahr Geraint Thomas (Ineos), der bei der Tour 2023 jedoch ebenso fehlt wie Vingegaards Co-Kapitän Primoz Roglic (Jumbo). Die beiden lieferten sich stattdessen ein Duell beim Giro d'Italia, bei dem Thomas nach über 3 Wochen um läppische 14 Sekunden an Roglic scheiterte. Dafür ist bei der Tour de France 2023 mit Jai Hindley (Bora) der Giro-Vorjahressieger am Start.

Hindley wiederum eröffnet die etwas längere Liste der Fahrer, die zwar meilenweit von Vingegaard und Pogacar entfernt zu sein scheinen, aber bei einem Ausfall der beiden dann doch zum ganz großen Schlag ausholen könnten. Von Fahrern, die außer Hindley schon einmal eine Grand Tour auf dem Podest beendeten, sind Enric Mas (Movistar, 3x Vuelta-Zweiter), Richard Carapaz (EF, ein Giro-Sieg plus Podeste bei Tour, Giro, Vuelta), Mikel Landa (Bahrain, 2x Giro-Dritter), Romain Bardet (DSM Tour-Podeste vor 6 und 7 Jahren). Ex-Vuelta-Sieger Simon Yates (Jayco) und die ehemaligen Podestfahrer Rigoberto Uran (EF) sowie Thibaut Pinot (Groupama) bei umjubelter Abschieds-Tour vor Heimkulisse sind in Richtung Gesamtwertung wohl über dem Zenit.

David Gaudu (Groupama) und Ben O'Connor (AG2R) verpassten vor einem und 2 Jahren auf dem 4. Platz die Podestränge der Tour de France. Die Eindrücke der vergangenen Wochen sprechen eher für O'Connor als einen der Herausforderer von Hindley um den Titel Bester des Rests. Ins Rampenlicht gefahren hat sich stattdessen zudem eher ein weiterer Däne außer Vingegaardm Mattias Skjelmose (Lidl) beeindruckte mit dem Gesamtsieg bei der Tour de Suisse. Die meisten bisher genannten Fahrer waren jedoch beim Critérium du Dauphiné am Start, das Vingegaard nach Belieben beherrschte. Pogacar hingegen bestritt nach seinem Kahnbeinbruch im April durch Sturz bei Lüttich-Bastogne-Lüttich nur noch die beiden slowenischen Meisterschaftsrennen – zwar mit Erdrutschsiegen, aber gegen überschaubare Konkurrenz.

Die Buchmacher sehen die Chancen von Vingegaard auf seinen 2. und Pogacar auf seinen 3. Gesamtsieg bei der Tour de France völlig ausgeglichen, obwohl hinter der Vorbereitung von Pogacar wegen der Verletzung sowie der Konzentration im Frühjahr auf den Triumph bei der Flandern-Rundfahrt Fragezeichen stehen. Die Helferriegen der beiden stärksten Einzelfahrer sind ebenfalls die besten im Starterfeld und tun sich nicht großartig. Sozusagen ganz nebenbei könnten für Adam Yates (UAE) sowie Wilco Kelderman und Sepp Kuss (Jumbo) Top-Ten-Platzierungen vor etlichen der anderen vorgestellten Fahrer herausspringen. Vingegaard kann allerdings diesmal nicht gemeisam mit Roglic wie bei der vorentscheidenden Etappe des Vorjahres Pogacar in die Zange nehmen. Aus deutschsprachiger Sicht sind bei optimalem Verlauf für Felix Gall (AG2R) und Emanuel Buchmann (Bora) die Top-Ten drin, wobei beide ambitioniertere Kapitäne in ihren Teams zu unterstützen haben.

Von dem vor Pogacar und Vingegaard über Jahre dominierenden Tour-Rennstall sind nach Thomas Abwesenheit und Carapaz' Abgang als Podestanwärter Daniel Martinez, Carlos Rodriguez und der 2019-Gesamtsieger Egan Bernal (alle Ineos) als Dreierspitze übrig geblieben, wobei Bernal sich nach seinem schweren Trainingssturz vor anderthalb Jahren erst wieder langsam an die absolute Spitze herantastet. Dessen Vorgänger, der 4-malige Toursieger Chris Froome (Israel), wurde von seinem Team 2023 nicht mehr für die Tour de France nominiert. Nach seinem schweren Dauphiné-Sturz beim Einfahren 2019 galt für ihn, was man für Bernal noch nicht abschließend sagen kann: Froome knüpfte nicht mehr im Ansatz an die alten Erfolge an und ist mit seinem Riesen-Gehalt bis 2024 nur noch ein Mühlstein im Budget seines seit 2021 überzahlenden Arbeitgebers.

Auch Duell bei den Massensprints zu erwarten

Eine ähnliche Überlegenheit wie bei Vingegaard und Pogacar in der Gesamtwertung zeichnet sich bei den 8 möglichen Massensprints ab. Jasper Philipsen (Alpecin) ist hier der Favorit Nummer 1 vor Fabio Jakobsen (Soudal). Am ehesten in Bedrängnis werde die beiden von Dylan Groenewegen (Jayco) und auf hügligeren Etappen von Wout van Aert (Jumbo), Mads Pedersen (Lidl) und Biniam Girmay (Intermarché) gebracht werden.

Eher schon der Zufall mitspielen muss für einen Sprintsieg bei dem Sturzpiliten Caleb Ewan (Lotto) sowie Alexander Kristoff (Uno-X), Phil Bauhaus (Bahrain), Jordi Meeus (Bora), Sam Welsford (DSM) und Bryan Coquard (Cofidis). Die Scheinwerfer gerichtet sind allerdings vor allem auf Mark Cavendish (Astana), der im neuen Team den alleinigen Rekord bei Etappensiegen innerhalb einer Tour de France aufstellen könnte, nachdem er 2 Jahre zuvor mit Eddy Merckx gleichgezogen war (beide 34).

Den ersten Massensprint gibt es jedoch frühestens auf der 3. Etappe. Und 3 der 8 Möglichkeiten befinden sich an den letzten 4 Renntagen, wenn eventuell etliche Sprinter nach den Hochgebirgen raus oder erschöpft sind. Gleich die ersten beiden hügligen Etappen kommen stattdessen vor allem van Aert, den beiden anderen Cross-Hybriden Mathieu van der Poel (Alpecin) und Tom Pidcock (Ineos) sowie Pogacar entgegen. Ein Julian Alaphilippe (Soudal) war auch mal prädestiniert für die Hügeletappen. Natürlich dürften dann auch Vingegaard und andere Klassementfahrer vorne dabei, für einen Etappensieg aber im Sprint unterlegen sein – vielleicht mit Ausnahme von Skjelmose und des hier noch nicht aufgezählten Pello Bilbao (Bahrain). Mit Christophe Laporte (Jumbo) hat das Vingegaard-van Aert-Dreamteam sogar noch einen anderen Siegkandidaten für solche Gelegenheiten dabei.

Van Aert ist normalerweise wieder der Favorit aufs Grüne Trikot in der Punktewertung, wobei er erneut den Spagat zwischen Massensprints und Helferdiensten für Vingegaard hinbekommen muss und zudem Spekulationen um einen vorzeitigen Ausstieg zugunsten der Weltmeisterschaft kursierten, die 2023 ausnahmsweise nur 2 Wochen nach der Tour de France auf dem Programm stehen und vom Profil her wie gemacht für die Cross-Rivalen van Aert und van der Poel sind. Philipsen, Jakobsen und Pedersen sind die logischen ersten Alternativen fürs Grüne Trikot zu van Aert. Wie Cavendish und Pinot tritt der 7-malige Gewinner des Grünen Trikots, Peter Sagan (Totalenergies), zum letzten Mal bei der Tour de France an. Die Vorzeichen auf einen Etappensieg stehen bei ihm jedoch nicht mehr so toll.

Von den bedeutendsten Radprofis der Gegenwart fehlt bei der Tour de France 2023 außer Geraint Thomas und Primoz Roglic in erster Linie Remco Evenepoel (Soudal), der beim Giro vor seinem Corona-Aus vor Thomas und Roglic im Rosa Trikot führte. Von den besten Klassementfahrern der Welt ist wieder Almeida (UAE) nicht bei der Tour, weil er von seinem Team für Giro und Vuelta eingekauft wurde. Von den Sprintern mussten  Tim Merlier (Soudal), Olav Kooij (Jumbo) und Arnaud Démare (Groupama) vor anderen Team-Ambitionen zurückstecken. Bester abwesender Hügelsprinter ist Michael Matthews (Jayco). Von den weltbesten Zeitfahrern – unter anderem nicht dabei Filippo Ganna (Ineos) – hätte angesichts nur eines kurzen Bergzeitfahrens bei der Tour de France 2023 ohnehin niemand was zu lachen gehabt.

Radsport-Seite.de, Homepage / Tour de France / Tour de France 2023 / Tour de France 2023, Favoriten-Vorschau