Damiano Cunego - Der Überflieger

Damiano Cunego aus Verona kam erst sehr spät zum Radsport. Erst mit 16 Jahren trat er einem Radrennklub bei, der ihn aufgrund seines «fortgeschrittenen» Alters für einen Anfänger eigentlich gar nicht haben wollte. Das änderte sich jedoch ziemlich schnell. Denn Damiano Cunego setzte seine Siegesserie fort, die er zuvor in einer anderen Sportart begonnen hatte: dem Crosslauf.Ausdauer und Sprintfähigkeiten waren also schon mal vorhanden. Außerdem bekam Damiano einen überdurchschnittlich hohen Hämatokritwert in die Wiege gelegt. Sein Vater vererbte ihm den hohen Anteil an Sauerstoff transportierenden roten Blutkörperchen, die manch anderer durch Höhenluft oder Blutdoping vermehren möchte. Normalerweise sind im Radsport 50% erlaubt. Wer darüber liegt, gerät unter Dopingverdacht und erhält eine «Schutzsperre». Damiano Cunego hat in seinem Gesundheitspass stehen, dass bei ihm Werte von 52% normal sind. Das allein befähigt einen aber noch nicht zum Ausnahmesportler - schließlich liegt der Hämatokritwert bei ca. jedem 40. Italiener so hoch. Vier Lehrjahre nach dem Junioren-WM-Titel
Gerade mal drei Jahre saß Damiano auf dem Rennrad, als er in seiner Heimatstadt 1999 19-jährig Junioren-Weltmeister im Straßenrennen wurde. Es schlossen sich zwei Lehrjahre für Damiano in der U23-Klasse für das Team Zalf-Euromobili an. Der junge Italiener wurde schon als der neue Marco Pantani gehandelt - nicht zuletzt, weil der langjährige Pantani-Boss Guiseppe Martinelli ein Auge auf ihn geworfen hatte. Ende 2001 unterschrieb er einen Profi-Vertrag bei Saeco, wo auch Martinelli seit kurzem mit in der Verantwortung stand. Es war in einer Zeit, in der der Stern des in Italien über alles geliebten Pantani auf tragische Weise schleichend unterging.
Die Lehrjahre für Damiano gingen zunächst weiter. Als Helfer sollte er sich bei Saeco hochdienen. In seinem ersten Profijahr machte Damiano Cunego nicht viel von sich reden. Immerhin sprangen zwei - wenn auch unbedeutende - Siege heraus. Im Jahr darauf bestritt Damiano seinen ersten Giro d'Italia. Sein Teamkollege und Kapitän Gilberto Simoni gewann die dreiwöchige Rundfahrt durch Italien, Cunego wurde 34. mit einer Stunde und knapp fünf Minuten Rückstand. Auch wenn Cunego mit Helferdiensten überzeugte, hatte sich manch einer insgeheim etwas mehr vom großen Talent aus Verona versprochen, beispielsweise Guiseppe Martinelli. Damiano Cunego fiel in seinen ersten beiden Jahren im Profigeschäft nicht mit der Tür ins Haus ein. Das sollte sich im Jahr 2004 ändern, als der Knoten platzte.
Zuvor noch erlebte Damiano die «Tour of Qinghai Lake», eine mehrtägige Etappenfahrt im Rennsport-Entwicklungsland China. Im italienischen Nationaltrikot eroberte er einen Tagessieg, den Gesamtsieg und die Herzen der chinesischen Zuschauer. Die der Italiener folgten nur wenig später. Top in 2004 - Der neue Liebling der «Tifosi»!
Im Februar 2004 war Marco Pantani an einer Überdosis Drogen gestorben. Die Tränen um den einstigen campione waren noch nicht getrocknet, da begann das neue Idol des italienischen Radsports dem Peloton seinen Stempel aufzudrücken. Beim Giro del Trentino, einem traditionellen Vorbereitungsrennen auf den Giro d'Italia, fuhr Cunego Ende April die gesamte Konkurrenz aus den Schuhen, so dass man mit dem 22-jährigen Italiener beim Giro im Mai durchaus zu rechnen hatte. Damianos Kapitän hieß allerdings nach wie vor Gilberto Simoni, seines Zeichens zweifacher und amtierender Giro-Sieger.
Nach zwei weiteren Siegen startete Damiano Cunego in den Giro d'Italia, der den Rahmen für die ersten richtig großen Taten in einer wahrscheinlich noch großartigen Radsportler-Karriere bilden sollte. Auf der 2. Etappe nach Pontremoli holte Cunego seinen ersten Tagessieg beim Giro im Sprint einer größeren Gruppe. Einen Tag später blieb er bei der ersten Bergankunft nur wenige Sekunden hinter seinem Kapitän Simoni, der jetzt ins rosa Trikot schlüpfte, zurück. Dann die 7. Etappe: In Montevergine di Mercogliano fuhr Cunego zum zweiten Etappensieg im Sprint einer Vierergruppe. Simoni büßte einige Sekunden ein. Nach dem langen Zeitfahren ging das rosa Trikot an den jungen Ukrainer Popowitsch, dem Giro-Dritten des Vorjahres - bis schließlich auf der 16. Etappe das Meisterstück des Damiano Cunego erfolgte.
Auf dem gebirgigen Weg nach Falzes attackierte Cunego früh. Popowitsch ging nicht mit, Simoni war zum stillhalten gezwungen. Und so musste der Saeco-Kapitän frustriert erdulden, dass ihm das Zepter beim Giro gegen einen jüngeren Teamkollegen aus der Hand glitt. Damiano Cunego hielt vorne durch und feierte seinen dritten Etappensieg. Das rosa Trikot des Gesamtführenden war endlich erobert. Damiano war der Teenie-Schwarm, der Lieblingsschwiegersohn und einfach ein exzellenter Rennfahrer zugleich. Die Einschaltquoten im italienischen Fernsehen schossen in die Höhe, wann immer Damiano Cunego über die Bildschirme flimmerte beim 87. Giro d'Italia.
Wer jetzt daran zweifelte das der junge Italiener seinen Spitzenplatz bis Mailand verteidigen könnte, wurde von ihm eines Besseren belehrt. Bei der Bergankunft in Bormio 2000 stellte er mit einem Etappensieg nochmals die gesamte Konkurrenz in den Schatten. Die Italiener hatten einen neuen campione! Auf die Tour de France im Juli verzichtete Cunego danach bewusst. Dort hätte er auch nur verlieren können. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Weltmeisterschaft im Oktober, die nach fünf Jahren schon wieder in Cunegos Heimatstadt Verona ausgetragen wurde. Zur Vorbereitung nahm Cunego an der Spanien-Rundfahrt teil, bei der er im Vorbeigehen immerhin 16. wurde. Bei der WM selbst fungierte er als gleichwertiger Kapitän mit dem Olympiasieger Bettini, der jedoch verletzt ausschied. Die doppelte Speerspitze der Italiener war abgebrochen, die Attacken in der WM-Schlussphase - auch von Cunego - blieben wirkungslos. So kam es zum Sprint, in dem der Juniorenweltmeister von 1999 Neunter wurde.
Die Saison war beinah beendet, da setzte es noch einen Paukenschlag durch Damiano Cunego. Beim abschließenden Weltcuprennen, dem Giro di Lombardia, gewann Damiano Cunego den Sprint einer kleinen Gruppe, obwohl er vorher mit einem sinnlosen Fluchtversuch wertvolle Kräfte verschleudert hatte. Eine große Rundfahrt und ein Weltcuprennen in einem Jahr hatten bislang nur wenige Fahrer vor Cunego gewonnen. Zudem stand der nun 23-jährige Italiener plötzlich an Nummer 1 der Weltrangliste. Er war der jüngste Weltranglistenerste aller Zeiten am Ende einer Traumsaison. Fortsetzung folgt...

Die wichtigsten Profi-Siege und Cunegos Teams:

2001 - Mercatone Uno-Albacom2002 - Saeco-Longoni Sport
Giro d'Oro
Giro del Medio Brenta 2003 - Saeco-Longoni Sport
7. Etappe Tour of Qinghai Lake
Tour of Qinghai Lake, Gesamtsieg 2004 - Saeco
1. Etappe Trentino-Rundfahrt
2. Etappe Trentino-Rundfahrt
Trentino-Rundfahrt, Gesamtsieg
GP Industria & Artigianato di Larciano
Apennin-Rundfahrt
2. Etappe Giro d'Italia (Pontremoli)
7. Etappe Giro d'Italia (Montevergine di Mercogliano)
16. Etappe Giro d'Italia (Falzes)
18. Etappe Giro d'Italia (Bormio 2000)
Giro d'Italia, Gesamtsieg
GP Fred Mengoni
GP Nobili Rubinetterie
Lombardei-Rundfahrt
Japan-Cup 2005 - Lampre-Caffita
3. Etappe Tour de Romandie
GP Nobili Rubinetterie
Trofeo Melinda
Japan-Cup 2006 - Lampre-Fondital
3. Etappe Settimana Internazionale di Coppi e Bartali
Settimana Internazionale di Coppi e Bartali, Gesamtsieg
Giro d'Oro
2. Etappe Trentino-Rundfahrt
Trentino-Rundfahrt, Gesamtsieg
GP Industria & Artigianato di Larciano 2007 - Lampre-Fondital
1. Etappe Trentino-Rundfahrt
2. Etappe Trentino-Rundfahrt
Trentino-Rundfahrt, Gesamtsieg
4. Etappe Deutschland-Tour
GP Beghelli
Lombardei-Rundfahrt 2008 - Lampre
5. Etappe Baskenland-Rundfahrt
Klasika Primavera
Amstel Gold Race
Lombardei-Rundfahrt

 

Cunego bei der Tour de France:
2006  12. für Lampre-Fondital
          Gewinner Jungprofi-Wertung
2008  --. für Lampre

 

Cunego-Seiten im www:
www.damianocunego.it
de.geocities.com/ogkempf/cunegoarsch.htm
www.trap-friis.dk/cykling/italy.Cunego.htm

Damiano Cunego
* 19.09.1981 in Verona

Stand des Texts: 27.10.2004
Stand der Palmarès: 21.10.2008

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